Schade ist, daß kein Krieg mehr kommt.
Mitten in der Nacht kommt ein Mann aus dem Bordell gegenüber, steigt auf sein Mofa und fährt ins Ungewisse davon. Er spart am richtigen Ende. Was hat es auf sich mit dieser Stadt und seinen Bordellen?, an jeder Ecke ein Ort der Erniedrigung und der Gewalt, überall Schmutz, die Abwesenheit jeglicher Moral.
Die Huren verschwinden so von den Straßen, vom Horizont und werden hinter geschlossenen Türen vergewaltigt, so lässt sich besser wegschauen. Man muss dem eigenen Sohn nicht begegnen, wie er die Tochter schändet, wenn es hinter verklebten Schaufenstern passiert. So lässt sich vortäuschen, es ginge gesittet und moralisch vor, alles hat so seine Ordnung, obwohl, wie gesagt, weder Ordnung noch Moral herrscht.
Ich sitze vor der Haustüre, starre weiter ins Leere und rauche (weil ich so tun muss, als würde ich draußen rauchen, wenn Tamar da ist und wahrscheinlich ist es eh besser wegen den Katzen). Tamar liegt oben im Bett und ruht sich aus, es ist der heißeste Tag des Jahres und ich sitze hier und rauche und jemand hört laut Total Eclipse Of The Heart. Ich wippe bedächtig mit dem Kopf und denke an meine Ex-Freundin.
Wenn ich zwischen ihren Beinen liege, fühle ich mich wie ein unbeaufsichtigter Alkoholiker in der Weinabteilung eines größeren Supermarkts, ich möchte im süßen Nektar des Lebens ertrinken. Liebe meines Lebens, setze Dich auf mein Gesicht, denn es kann keinen schöneren Tod geben:
Das Herz des größten Menschen unserer Epoche, des Genossen Josef Stalin, hat aufgehört zu schlagen.
Doch mich plagt das Wissen, daß das eigene Verschwinden keinerlei Gefühlsregung in anderen Menschen auslösen würde. DIe Einsamkeit ist schlimm, aber sich der Konsequenzen bewusst zu machen ist schlimmer: Wenn man stirbt, dann bin ich umgehend vergessen. Und wenn man keinen Grund mehr zu leben hat, dann kann man auch im Bett bleiben und so beginnt der Teufelskreis.
Drinnen liest man Hacks, draußen, davon unbeeindruckt, fährt eine Kehrmaschine der Stadtreinigung. Das Schicksal der Kommunisten (in allen Teilen Deutschlands) ist, daß wir einer Mehrheit von Linken gegenüber stehen müssen, die Kritik gegen (bürgerliche) Moral getauscht, nie einen Begriff gelernt und Idealismus mit Ideal verwechselt. Wer nicht mehr weiß, was zum Beispiel Klassenkampf bedeutet, dem bleibt nur übrig, höflich um Veränderung zu bitten.
DIe Kommunistische Partei hat sich von Marx, Engels, Lenin und Stalin abgewandt, aber freut sich über zweikommasieben Umfragewerte in Tirol, wenn sie so stirbt, wäre auch sie umgehend vergessen. Die Linken machen die Kommunisten einsam.
Leider kann man ohne Macht auch niemanden an die Wand stellen und den Apparat säubern. Mir ist die Ironie bewusst, wofür ich diesen Text schreibe, aber: Kunst soll nicht nur Unterhaltung bieten, sondern muss auch Haltung haben. (Umgekehrt bei Schernikau)
Nur ein Gefühl, das vergehen muss, so wie ein Dreckstück auf den sauberen Schuhen. Eigentlich ist es keinerlei Gedanken wert. Ich weiß nicht genau wie, aber als nächstes stehe ich am Strand und blicke weit raus auf das blaue Meer. Eine ungekannte Beruhigung stellt sich in mir ein, wie die Wellen vor meinen Augen friedlich auf- und abwandern. In der DDR waren die Farben vielleicht nicht so bunt, aber es waren für alle die gleichen Farben. Im Westen war das Leben für viele einfach nur schwarz-weiß.
Die Liebe im Westen ist konsequentes Fordern. Ich erzähle ihr immer aufdringlicher, welche ihrer Freundinnen mir gefallen, welche ich knallen will, obwohl ich es gar nicht will, um herauszufinden, wie sehr sie mich liebt. Irgendwann wird sie es nicht mehr ertragen und das ist dann der Beweis, dass sie mich nie geliebt hat.
Im Westen haben wir uns nach einer anderen Wirklichkeit gesehnt und in der DDR haben wir sie gefunden. Die Stalinallee verläuft nicht durch Ostberlin, sie verläuft durch unsere Herzen.
Hinter München fängt der Balkan schon an, aber Österreich, ist das mehr Ost- oder Westdeutschland? Eröffnet selbstverständlich die Frage, was war eigentlich Jugoslawien und die anderen Warschauer Verratsstaaten. Unter dem Motto »Österreichs schönste Niederlagen« besuchten wir das Heeresgeschichtliche Museum. Lieber im Osten im Gefängnis als im Westen in Freiheit. Ich sehe mich in einer Zelle mit Peter Handke und Sascha Stanišić. Die beiden schauen sich feindselig in ihre traurigen Augen und ich komme nicht umhin mit beiden Mitleid zu haben. Irgendwo auf der Strecke zwischen Belgrad und Pristina haben beide etwas von ihrer Menschlichkeit verloren.
Scheiß Bosniaken. Da, ich habs gesagt. Wenn das veröffentlicht wird, bin ich dem Literaturnobelpreis näher als jemals zuvor.
In der Schule dachte ich immer ich bin unbeliebt, weil ich hässlich oder komisch bin. Turns out, ich war einfach nur arm. Arm und einsam. Ich wäre gerne Scheidungskind gewesen. Also auch nur von sehr reichen Eltern, die um meine Liebe konkurrieren, aber dann auf jeden Fall. Everything’s better with rich parents.
EDIT: Everything’s better with rich, dead parents.
Über den Vater: »Wie ich es mir dachte: Ohne sein Genick ist er wehrlos.«
Der deutsche Arbeiter fürchtet sich vor der Diktatur des Proletariats, in der er selbst die Macht besitzt und verteidigt aufs Blut die Diktatur der Bourgeoisie, in der er nicht einmal so viel wert ist, wie er erwirtschaftet. Wenn überall auf die Welt die Revolution von den Arbeitern ausgehen kann, in diesem Land muss der Sozialismus ihm von außen regelrecht aufgezwungen werden.
Dante durchschreitet das Tor der Hölle, das eine Inschrift trägt, die mit dem berühmten Satz endet: Lasciate ogne speranza, voi ch’intrate, »Gebt alle Hoffnung auf, die ihr hier eintretet.« Dante und sein Führer hören die gequälten Schreie der Unbeteiligten. Das sind die Seelen von Menschen, die im Leben keine Partei ergriffen haben; die Opportunisten, die weder für das Gute noch für das Böse waren, sondern nur mit sich selbst beschäftigt waren. Aha, denke ich, die deutsche Linkspartei.
Ich traf die Irene Binz bei einer Premiere und wollte ihr mein Leid klagen, aber der Herr Kulturbürgermeister mischte sich (wie man es gewohnt ist), in unser Gespräch ein und übte sich in der einstudierten, liberalen Umdeutung des Sohnes von Irene.
«Wer braucht schon Stalinisten in rosa Pullovern», sagte er in der folgenden Diskussion und betrachtet mich ausgiebig.
«Du hast Dir gerade die Premiere eines Stalinisten in rosa Pullover angeschaut», sagte Irene und schaut ins Leere.
Wahrheit, das schönste Bauwerk in Europa war die Mauer und dieser schwule Sonderling, er war Kommunist.
Ein Kulturbürgermeister stapft wütend in die Nacht. Von seinem üblichen Paternalismus lasse ich mich vielleicht damals noch einschüchtern, war ich doch noch ein anderer, als ich heute bin, aber die Irene Binz schafft er nicht.
Skit: Charlie Brown
Donau, sg.; Donauen, pl.; wie in: Zwischen den Donauen; aber an der Neuen schmiege ich mich eng an eine junge Frau, sie liegt auf dem Bauch, mein Kopf ruht auf ihrem Rücken und ich umarme ihren Hintern, halte eine Backe umklammert wie eine Pasteke. Ihr Name ist Charlie Brown und sie hat keine Angst vor meinem Stalintattoo. Sie ist jetzt meine Muse.
Stalinismus ist die Erkenntnis, daß man einen gordischen Knoten nur mit dem Schwert lösen kann.
»Ich vermisse Selen.«
»Ich dachte, Du vermisst das Essen meiner Ma.«
»Nein, das Gefühl an diesem Abend. Das war nicht das Essen, es war die Unbeschwertheit.«
»Und dann der Abend im Theater, das war auch so schön. Aber danach ist irgendwas passiert und ich weiß einfach nicht, was ich falsch gemacht habe.«
Gespräche mit Rosa.
Die Kritiker des Kommunismus sagen, der Kommunismus sei gar keine gute Sozialpolitik oder überhaupt irgendeine Form von guter Politik und denken, damit sei ihnen der große Wurf gelungen. Dabei ist genau das der Fall, aber überaus unfreiwillig:
Der Kommunismus ist nicht auf Politik, sondern auf deren Aufhebung aus; es geht den Kommunisten nicht um eine Sozialpolitik, eine Elendsverwaltung, sondern um die Abschaffung des Elends. Aber der tatsächliche Witz an der Geschichte ist, das Kaninchen war von Anfang an Josef Stalin.
»Are millions of men and women and children condemned by history or culture to live in despotism?
Are they alone never to know freedom, and never even to have a choice in the matter?
I, for one, do not believe it. I believe every person has the ability and the right to be free.«
George W. Bush
Es vergehen Dekaden, in denen nichts geschieht und es vergehen Wochen in denen Dekaden vonstatten gehen. Wer die Zukunft liebt, der kämpft für die Sowjetmacht.
Levÿ stellte später fest, daß sie [die Sowjetunion] die Einzige war, die er wirklich geliebt habe. Bei ihrer Beerdigung erzählte er einem einstigen Kameraden, daß mit ihr jedes menschliche Gefühl in ihm starb:
»Dieses Geschöpf hat mein steinernes Herz erweichen können. Nun ist sie tot, und mit ihr sind meine letzten warmen Gefühle für alle menschlichen Wesen gestorben.«
Auf seine Brust weisend soll Stalin hinzugefügt haben:
»Hier drinnen ist es leer geworden, so unsagbar leer.«