In Österreich werden jährlich 1.000.000 Tonnen Schlachtgewicht Fleisch produziert, circa acht Tonnen pro Person plusminus. Selbstverständlich nicht immer ganz klar, wo jedes Schwein herkommt, daß im Faschierten landet, aber wir essen hierzulande zu gern Fleisch, um uns darüber zu viele Gedanken zu machen.
Vor ein paar Jahren großer Skandal, weil Pferd im Schwein, aber Fleischindustrie deswegen keineswegs im Arsch, genau so viel Fleischgenuss von Westungarn bis Vorarlberg, da musstest Du Dir als Fleischproduzent Sorgen, um seine Altersvorsorge machen, schon gar nicht, wenn man Dich den Fleischkaiser nennt. Sorgen musst Du Dir erst machen, wenn Du als solcher selbst verschwindest.
Und als Verbraucher, wenn Du wüsstest, daß in der eben verzerrten Leberkassemmel ein Teil Fleischkaiser enthalten ist. Aber, obwohl das eigentlich naheliegend ist, daß man zumindest mal im Jux darüber nachdenkt, daß wenn der Fleischkaiser verschwindet es ja gut möglich ist, daß ihn jemand mit hineingestoßen hat in den Fleischwolf, hat darüber niemand nachgedacht. Gar niemand, ich schwöre beim Herrn Jesus Christus, alle haben es sich wie gewohnt schmecken lassen, sogar die Polizei.
Vielleicht hat es ihnen sogar besser geschmeckt, weil zum ersten Mal in der Leberkassemmel vom Merkur ein bisschen gescheites Fleisch drin war, denn gut gehen lassen hat es sich Bernhard Tapavicza zeitlebens. Und glückliche Viecher hat er eh immer haben wollen, also war es zum ersten Mal gar nicht gelogen, was auf den Lieferwagen seiner Firma stand.
Naja wobei, ganz am Ende seines Lebens war er vielleicht gar nicht mehr so glücklich, aber als Sie in die Semmel gebissen haben damals, war Ihnen das auch egal, nicht wahr?
Für Außenstehende ist es selbstverständlich sehr einfach “Der Fleischkaiser ist tot – Lang lebe der Fleischkaiser” zu skandieren und mit seinem Tagwerk fortzufahren, als sei Nichts geschehen. Aber wenn Du Klemens (II.), der designierte Nachfolger des verstorbenen Monarchen bist, sozusagen der erste Fleischkaiser nach dem ersten Fleischkaiser und vor hast das Dir hinterlassene Imperium zu übernehmen, dann kannst Du selbstverständlich nicht so eine Leichtigkeit an den Tag legen, gibt ja immerhin einige Leute, die Du ausreichend zufrieden stellen musst.
Dem Vater (Klemens I.) musst Du es zum Glück nicht mehr erklären, das hat der Lungenkrebs quasi schon für Dich erledigt (und dafür sprichst Du auch gleich ein schnelles Vaterunser), aber dann ist da selbstverständlich die Polizei, denn wenn so ein Mitten im Leben stehender Mann wie Dein Bruder, erfolgreicher Unternehmer noch dazu, plötzlich spurlos verschwindet und nie wieder auftaucht, wirft das die eine oder andere Frage auf.
Dann gibt es da noch Investoren und Geschäftspartner, die Dich auch erstmal als neuen Fleischkaiser anerkennen müssen. Verwandtschaft nützt Dir erstmal gar nicht so viel, wenn die Kurfürsten Nein sagen, vor allem dann, wenn Du die Thronfolge ganz schön eigenwillig interpretierst, weil Du denkst, Dein Neffe ist noch ein bisschen blutjung, um das schöne Fleischimperium einfach so mirnixdirnix zu erben.
Ja und von den ganzen Angestellten will ich gar nicht reden, also da sind wir uns ja schnell einig, daß Du einpacken kannst, wenn der Franzl am Fleischwolf Dich nicht respektiert. Dann tritt der am Ende doch noch in die Gewerkschaft ein, obwohl Du ihn die letzten zwanzig Jahre ganz erfolgreich davon abhalten konntest. Du, ja wirklich Du, Du allein, weil für die Personalangelegenheiten warst immer Du zuständig und das ziemlich erfolgreich, denn beim Franzl und seine Kollegen haben sich diese Kommunistenschweine von der Gewerkschaft bisher immer den Mund fusselig geredet, obwohl Du ihre Löhne mit Ungarn, Rumänen und Weißdergeier gedrückt hast, das war Dein Verdienst.
Und trotzdem musst Du Dir was einfallen lassen, wie Du die Proleten weiter bei der Stange hältst, und wenn einer stirbt, dann kannst Du stell mal was falsch machen.
Das alles ging Klemens II. durch den Kopf, als er an diesem Morgen neben seiner Frau lag, obwohl er lieber wie sonst in einem slowakischen Puff aufgewacht wäre. Aber er konnte in diesen Tagen nicht vorsichtig genug sein, seit dem Verschwinden seines Bruders fühlte er sich ohnehin von der Presse verfolgt und jetzt wo die Ermittlungen der Polizei endgültig im Sande verlaufen waren und seine Krönung quasi direkt vor der Tür auf ihn wartete, war er nochmal besonders vorsichtig.
Dem Franzl ging etwas völlig anderes durch den Kopf als er am selben Morgen das Zimmer der Lieblingskonkubine seines neuen Herrn verließ.
Ihm fuhr nämlich der Ekel vor sich selbst durch die Gliedmaßen und zwar nicht nur, weil er um die 500 Euro hinter dem Türabsatz zurückgelassen hatte. Das war ihm egal.
Früher hatte er weit mehr Geld bei weitaus mehr, günstigeren Damen gelassen, weil er nie eine feste Frau gefunden hatte oder sich zumindest nie die Mühe gemacht hatte, so genau wusste er es selbst nicht, jedenfalls waren a por Hurn für ihn irgendwie immer stressfreier erschienen als eine Familie zu gründen.
Den Ekel hatte er auch nicht, weil sich seine arme Mutter darüber umgebracht hatte, daß er den Familienstammbaum quasi eigenmächtig gefällt hat und der Vater, weil die Familienmetzgerei in Tirol gleich mit dem Familiennamen über den Jordan gegangen war und Franzl beim Tapavicza angefangen hatte und das gute, alte Handwerk an den Nagel gehängt.
Das war ihm eigentlich ziemlich egal, er hat im Leben immer gut gegessen und immer gut gefickt, und das die Frauen immer jünger, während er immer älter wurde, ekelte ihn auch nicht, dafür ging er mittlerweile ja nur noch alle halbe Jahr hierher und zahlte etwas mehr, das fand er einen guten Kompromiss. Mit Sechzigplus muss ja auch irgendwann mal die Weisheit einsetzen.
Er ekelte sich auch nicht, weil er beim Ficken immer gern an Faschiertes dachte, weich und warm wie eine gute Funsn, und auch nicht, weil er es mit derselben trieb wie der Fleischkaiser, weil er das gar nicht wusste, und auch, weil es ihn dann auch nicht gestört hätte. Also warum ekelte sich der Franzl heute nach 40 Jahren regelmäßigen Puffbesuchs?
Grund dafür, war der Herr, der das Zimmer der Maria verlassen hatte in dem Moment wo der Franzl es betreten wollte, denn den Herrn hätte er unter Tausenden anderen arroganten, wichtigtuerischen Wapplern in diesem Land (Also Österreich, nicht die Slowakei) direkt wiedererkannt.
Der Franzl war kein besonders anständiger Kerl, das haben Sie sich bis hier sicherlich schon vorstellen können, und viel Scham hat er auch nicht gehabt in seinem bisherigen Leben.
Aber das er jetzt da reingesteckt hat, wo zuvor der Chefredakteur der Kranzlzeitung reingesteckt hat, das ekelte ihn wirklich an. Also fasst er in dem Moment, wo er das Zimmer der Maria wieder verlässt den Entschluss zum Grab seiner Mutter zu fahren, um um Entschuldigung zu bitten.
Besagter Chefredakteur, den übrigens jeder erkannt hätte, weil sein Gesicht auf jeder Werbetafel seiner Zeitung prangte, hat an jenem Tag übrigens auch eine Leberkassemmel verdrückt und nichts geahnt. Und als er das Zimmer der Maria verlassen hat, hat er auch nicht geahnt, wer der Franzl ist und das es den so ekeln würde.
Eigentlich grundlos, den der Reikl bekommt seit Jahren keinen mehr hoch, wegen dem vielen Kokain, was in seinen Kreisen verzehrt wird. Einen Durchschnitt, den er persönlich selbstverständlich noch bei Weitem übertrifft.
Der Reikl ist in seinen Porsche gestiegen und davon gefahren, und der Staudacher und der Pichler haben ein Photo von ihm für ihre Auftraggeberin gemacht.
Übrigens nicht dem Reikl seine Frau, den er hatte ja keine, sondern seine Mutter, die Beweise haben wollte, was für ein verkommener Mensch ihr Sohn geworden ist, obwohl sie dafür nur seine Leitartikel hätte lesen müssen. Naja, jedenfalls.
Der Staudacher und der Pichler haben auch ahnungslos vom Menschenleberkas gegessen, geschmeckt hat es ihnen sehr gut. Der Staudacher hat zwar am nächsten Tag zu zittern angefangen, eben wie der Körper manchmal reagiert, wenn man in den Genuss eines Mitmenschen gekommen ist, aber selbstverständlich wusste er nicht warum.
Furchtbar hat er sich nur gefühlt, weil er dachte der Parkinson fängt an, vor dem er schon sein Leben lang Angst hatte, seit er es beim Großvater gesehen hat und es beim Vater auch angefangen hat, als er klein war. Parkinson hat er nicht bekommen, aber Tablettensucht, weil er seitdem ständig Xanax in sich reinschiebt wie andere Mannerwaffeln.
Der Pichler hat in diesem Moment wieder eine Leberkassemmel gegessen, aber jetzt hab selbst ich nicht gewusst, was drinnen ist, das wird sich im schlimmsten Fall erst in der Zukunft offenbaren. Die Semmel hat er sich vor der Abfahrt in die Slowakei an der Tanke geholt.
«Heast, a Leberkassemmel fressen is ja des ane, aber mit Mayonnaise.», empörte sich Staudacher.
«Dei Goschn sollst halten, hob i gsogt, i kann mich net konzentriern sonst.», wurde sich zurück empört.
Konzentration ist alles beim Observieren, das liegt auf der Hand, das hat der Staudacher ja eingesehen.
«Heast, jetzt isser rausgangen.», hat er dann plötzlich gesagt und der Pichler hat die Semmel auf das Amaturenbrett geschleudert, daß es unschöne Mayoflecken gab, die Kamera hochgerissen und ein perfektes Bild geschossen. Reikl im Türrahmen, über ihm die Leuchtreklame auf der stand ‹Salon París› und das abstrakte Bild einer nackten Frau.
Das der Franzl auch auf dem Photo war, weil er grad angeekelt vom Fenster aus dem Raikl dabei zugeschaut hat, wie er in den Porsche einsteigt, während die Maria schon vor ihm gekniet hat, hat die beiden Schnüffler nicht interessiert. Der Staudacher hat den Motor angelassen, sich über das Honorar gefreut, und das er heute so früh daheim sein würde, weil seine neue Freundin daheim auf ihn warten würde.
Seitdem er diese Frau kennengelernt hat, war der Staudacher wie ausgetauscht, das war auch dem Pichler aufgefallen, weil er seitdem keine Leberkassemmeln mehr isst, weil die neue so eine Art Vegetarierin oder sowas war. Das war kurz nach ‹der› Semmel und der Parkinsonpanik, da hat er dann für seine neue große Liebe ganz aufs Fleisch essen verzichtet.
«Na gibts daheim an Tofu später?», hat er gefragt, während der sich den Rest seines Frühstücks reingestopft hat.
Darauf hat der Staudacher nichts gesagt, weil er nicht zugeben wollte, daß er jetzt eine Frau hatte, die nicht nur kein Fleisch, sondern im Prinzip eigentlich nie kochte.
«Was sagt eigentlich ihr Vater dazu oder kommt er nicht mehr zum Stammtisch?», grinste der Pichler hämisch und war sich sicher, dass der Staudacher eine Midlifecrisis hatte und bald auch wieder Fleisch essen würde, sobald ihn diese Frau verlassen würde, die dem Staudacher seine Tochter hätte sein können.
Der Kranzlchef war der einzige Mensch, der jemals darüber nachgedacht hat, daß der neue den alten Fleischkaiser zur Wurst gemacht hat. Freilich nicht in dem Moment, wo seine scharfe Praktikantin ihm die Semmel überreicht hat, die sie ihm in der Mittagspause an jenem Tag hatte holen müssen und auch nicht als er ihr mit den fettigen Fingern nach dem Essen versuchte unter den Rock zu fassen, auch nicht in dem, wo er sie vor die Tür gesetzt hat, weil sie es allen ernstes gewagt hatte sich darüber bei ihm zu beschweren. Wo gibts denn sowas, daß sich so ein Weibsbild, das bei ihm arbeiten will, sich sowas nicht gefallen lässt, vor allem, wenn die Funsn sich doch allen ernstes einbildete, mal bei der Kranzlzeitung Karriere zu machen, ha! Wäre doch gelacht, nicht solange er hier das Sagen hat.
Nein, gedacht hat er es sich an dem Tag bei der Maria, nachdem die bereits seit anderthalb Stunden an seinem schlafen Würstl rumgekaut hat und immer noch nichts passiert ist. Da ist ihm die Idee gekommen, daß wenn er der Klemens, den er ja eigentlich ganz gut kannte, also ding, wenn der hätte seinen Bruder umbringen wollen, dann hätte das ja Sinn ergeben, denn im Fleischwolf zu entsorgen.
In dem Moment ist der Reikl aufgesprungen, hat der Maria ein paar Scheine hingeworfen, aus dem Zimmer gestürmt, den Franzl im Flur angerempelt, aus dem Haus, die beiden unfähigsten Detektive Wiens, die ihn mit Blitz am hellichten Tag photographiert haben, gar nicht bemerkt und in seinen Porsche gesprungen und los gebrettert.
Auf der Autobahn hat er angestrengt überlegt, wen er darauf ansetzen würde, auf das, was vielleicht der Skandal des Jahres, achwas, des Jahrzehnts werden und die Auflage in ungeahnte Höhen treiben würde. Zum Verhängnis ist ihm dann schlussendlich doch seine Sucht geworden, weil es ihm ohne Schneeweißes zu anstrengend war mit dem Nachdenken und beim Versuch sich während dem Fahren die Nase zu pudern weder auf die Temponadel, noch auf den Gegenverkehr geachtet hat.
Der Skandal mit dem Koksporsche von Bratislava hat der Kranzlzeitung von der Auflage her auch nicht geschadet, hat man einfach selbst ausgeschlachtet, bevor es ein anderer konnte und die nächste Charaktermaske, die den Chefredakteur spielt, hat man auch schnell gefunden. Dafür ist die Volkspartei ja da.
Der Staudacher und der Pichler sind mit ihren überbelichteten Beweisphotos einen anderen Weg gefahren und haben vom Unfall erst zwei Tage später erfahren, aber so oder so, erste Hilfe hätte sowieso nicht mehr geholfen.
Klemens II. war zu dem Zeitpunkt schon dabei dem Kurfürstenkolleg des Fleischkaiserreichs seine künftige Herrschaft schmackhaft zu machen. Später würde er bei der Beerdigung vom Raikl sogar trauriger sein als bei der seines Bruders, aber davon konnte er jetzt ja noch gar nichts wissen.
Seine Vasallen gefügig zu machen war sogar einfacher als er sich das vorgestellt hatte. Großer Bruder verschwunden, vielleicht nur durchgebrannt, aber offiziell für tot erklärt, kleiner Bruder tritt in die Fußstapfen, macht sich in der Presse gut, alle einverstanden. Vielleicht hatte er sich im Voraus einfach zu viele Gedanken gemacht.
Sein Neffe war keine Konkurrenz, kein abgeschlossenes Studium, sowieso mehr Interesse an Marx als an Fleisch, dem steckst Du dann halt etwas Geld zu, weil diese kleinen Kommunisten nie eigenes Geld haben, das gibt der Geldbeutel sowieso her, alles in Butter.
Jetzt saß er im Kaffeehaus mit einem Untergebenen vom Raikl, der ein Interview zu führen hatte.
«Ich kenn nicht einen der Angst vor mir hat. Denjenigen, die Angst vor mir haben, denen kann ich nur empfehlen mich kennenzulernen, dann ist die weg.», sagte er gedankenverloren vor sich her. Er hatte gar nicht darauf geachtet, was die Frage gewesen ist, weil er immer nur her zum Nebentisch starrte, wo eine junge Frau saß, die seine Aufmerksamkeit geweckt hatte.
Nyx besaß kein eigenes Bett mehr. Gemeldet war sie in einer WG in Ottakring, daß sie von ihrer Mitbewohnerin die meiste Zeit über AirBnB vermieten ließ, womit sie wiederum ihre eigene Miete bezahlte und ihren Lebensunterhalt bestritt. Lebensunterhalt war ein scheiß Wort, fand sie. Ein, zwei, vielleicht drei Tage im Monat verbrachte sie in diesem Zimmer, eigentlich kam sie nur, um zu schauen, ob es Post gab, meistens gab es keine.
Sie blieb dann für ein paar Stunden aus denen ein paar Tage wurden, schaute Netflix mit Hannelore, also ihrer Mitbewohnerin, die sie eigentlich nicht so mochte, weil sie so ein gutgläubiges Pferdemädchen aus irgendeinem burgenländischen Dorf war, die nie das Haus verließ außer um zu ihren Tiermedizinvorlesungen zu gehen, etc. und schlief ein bisschen mehr als sonst, und dann auch immer in Nannes Bett, weil sie beim Netflix schauen einschlief.
Und Nanne war entweder zu schüchtern oder zu nett, sie rauszuwerfen oder vielleicht heimlich ein bisschen auf Nyx stand, wer könnte es ihr verübeln, ohne es sich einzugestehen, und es genoss, aber jedenfalls wachte Nyx dann jeden Morgen als der kleine Löffel in Nannes Armen auf, konnte sich nur mit Mühe aus ihrem Griff befreien, um zu Duschen und dann eine Münze zu werfen, ob sie noch einen Tag länger blieb, außer am vierten Morgen, weil sie nie länger blieb als drei Nächte, oder weiterzog.
So wie heute, als sie sich dann mit ihrem Hund in dieses Café setzte, um spät zu frühstücken und dann von diesem schirchen Typen die ganze Zeit angestarrt zu werden. Sie schaute genervt zurück, obwohl er reich genug aussah, um normalerweise ihre Aufmerksamkeit zu verdienen, aber er war schirch wie die Nacht und sah aus wie jemand, der seinen eigenen Bruder umbringen würde, wenn es drauf ankäme.
Nyx hatte fünf oder sechs Freunde, die nicht voneinander oder von ihrem Lebensstil wussten, schlief mal bei dem einen, mal bei dem anderen, und versuchte Sex zu vermeiden, was sich nicht immer vermeiden lies, aber erstaunlich oft. Kam ihrer Erfahrung nach immer auf den Typen an, ein repressed Softboi in ihrem Alter würde sich immer in sie verlieben und eine Beziehung mit wenig Sex lange genug ertragen, selbst wenn es ihm nicht gut damit ging.
Bei denen spielte sie immer ihr Ass, also das Ace, was zu ihrer 5mm-Frisur ja irgendwie passte, fand sie oder gab Vaginismus vor, was bei den Softbois immer dazu führte, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse wirklich soweit unterdrückten, bis ihnen fast die Hoden platzten, und nur manchmal ein wenig Zuneigung und Handarbeit brauchten, was ihr als kleiner Preis für Einladungen zum Essen und ein Dach über den Kopf vorkam.
Andere Typen waren eigentlich unausstehlich, aber reich und protzten gerne mit Geschenken. Hier konnte sie mit ihrem alternativen Look schnell und überzeugend vorschlagen, daß sie doch eine offene Beziehung haben könnte, also er das tun könnte, sie störe das nicht, es störte sie ja wirklich nicht, und das machte diese Typen so geil, ein Gspusi zu haben, das ihnen quasi erlaubt fremd zu gehen, daß sie von denen eine ganze Weile ausgehalten wurde, ohne das sie je wieder nach Sex mit ihr fragten. Nyx Rekord waren sechs Monate mit so einem verwöhnten Lehrersohn aus Stuttgart.
Dann gab es Typen wie diesen Psychopathen am Nebentisch. Viel zu reich für die Welt, viel zu alt für Nyx, aber für Sex unglaublich spendabel. Bis auf das Gekeuche, als würde ein Herzinfarkt vor der Tür stehen, war der Sex mit denen aber immerhin wenigstens sehr Vanilla und erträglich und das Geld das dabei raussprang bezahlte Hundefutter und Tieraztbesuche für Charon, ihren zwei Tonnen schweren Kangal, ihre Lebensversicherung, daß die alten Männer, die sie so manchmal an sich ranließ, nicht zu übermütig wurden.
Der Alte bei dem sie gerade mehr oder weniger gelebt und sich hatte aushalten lassen, war so eine Mischung aus Frührentner und Softboi, sprich Midlifecrisis. Hatte sich in sie verliebt, alle Rechnungen bezahlt und sogar aufgehört Fleisch zu essen. Vor ein paar Tagen war er aufgebrochen, um mit einem Haberer Detektiv zu spielen und Nyx war zur Nanne und würde nicht zurückkommen.
Bei solchen Männern wurde ihr ihr eigener Lebensstil manchmal zu peinlich, trotzdem schaute sie nochmal zu dem Psychopathen rüber und überlegte, ob sie ihn noch in ihre Konstellation unterbringen könnte, während sie Charon streichelte. Sie entschied sich dagegen und zahlte.
Wirklich gerne Sex hatte Nyx nur mit ganz bestimmten Kerlen, die wussten, was sie wollten und ihr gaben, was sie brauchten. Den Softbois konnte man zumindest beibringen ordentlich zu lecken, die Richbois waren selbstverständlich zu überhaupt nichts außer Geld zu gebrauchen und die richtigen Fuckbois, also nicht das was man landläufig einen Fuckboy nennt, sondern nach ihrem Geschmack, waren extrem selten.
Daher hatte sie am liebsten einen namens Klemens, der Einzige, den sie schon länger als zwei Jahre kannte und der all das, was in ihrem Kopf vorging und in ihrem Leben, wusste, ohne das sie es ihm je hätte sagen müssen.
Er war einfach nur ein zynischer, depressiver Kommunist mit reichen Eltern, der nie viele Fragen stellte und es machte ihr große Freude mit ihm rumzuhängen, ding, da war einfach eine passende Wellenlänge gefunden.
Er war auch der einzige, der wirklich mit Charon klar kam, will meinen, der einzige Mensch außer ihr, der keine Spur von Angst in Gegenwart dieses 100 Kilogramm schweren Monsters zeigte.
Er war der Mann, den sie eines Tages heiraten würde, wenn sie heiraten nicht für den größten Unsinn aller Zeiten halten würde.
Kurz darauf kam der Staudacher zurück in seine Wohnung und fand sie leer vor. Nachdem er begriffen hatte, was passiert war, schmiss er den Verlobungsring, den er für einiges an Geld gekauft hatte, einfach in den Müll, ging wieder aus dem Haus und kaufte sich eine Leberkassemmel.
Nyx hatte selbstverständlich damals keine gegessen, Fleisch hat sie nicht mehr gegessen, seit ihrem Matyrium, als sie 17 war und eine Ausbildung gemacht und was mit ihrem Vorgesetzten hatte. Am Anfang fand sie das wundervoll, spannend und romantisch, dann packte er einmal beim Sex ein Pfund Faschiertes aus und fing an sie damit einzureiben.
Nur ihr Hund hat was von diesem Leberkäse auf der Straße gefunden, aber einen Hund stört das ja bekanntlich nicht, wessen Fleisch er da frisst, hauptsache reichlich, egal ob Mensch, Rind, Schwein oder Katze.
Klemens III. hatte Gottseidank auch keine gegessen, das kann man ja keinem zumuten, wenn man ihm sagen muss, Haberer, da hast Du grad schön die Überreste von Deinem alten Herrn verspeist, weil Dein Onkel, na du weißt. Gut, daß das auch gar keiner gewusst hat, selbst wenn er da zugegriffen hätte.
In den Tagen nachdem im Namen seines Vaters ein leerer Sarg in der Familiengruft versenkt wurde, klingelte der neue Fleischkaiser bei seinem Neffen, umarmte ihn viel zu lange und überreichte ihm ein Kuvert mit vielen lila Scheinen.
«Du weißt eh, wenn Du irgendwas brauchst, zögere nicht», verkündete seine kaiserliche Hoheit, der Zweite mit einer schön gespielten Träne im Auge.
‹Schau an›, dachte sich der Dritte. ‹Der tut grade so als würde ihn so ein bisschen Geld dann vor den Folgen der Revolution retten, wenn wir Kommunisten erstmal an der Macht sind.›
‹Denn wenn die Revolution erstmal kommt, dann landen die Reichen alle im Faschierten.›