Auszug aus dem Unvollständigen Manuskript:
[…]
Damals auf dem Internat hatte ich lange kaum Freunde, eigentlich gar keine.
Der einzige Mensch vor Tom Huen, mit dem ich ansatzweise so etwas ähnliches wie eine Freundschaft gepflegt hatte, war ein dicklicher, kleiner, stiller Koreaner, mit dem ich nie auch nur ein einziges Wort gewechselt habe.
Überhaupt waren die einzigen Mitschüler in Brig, mit denen er überhaupt Worte wechselte, seine kleine Entourage anderer Koreaner, die ständig um ihn herum kreisten, als ob er ihre Sonne wäre. Selbstverständlich verstand niemand, wovon ihre Gespräche handelten und ich hatte auch immer den Eindruck, es sei übertrieben, ihre Kommunikationen als richtige Gespräche zu bezeichnen.
Es kam mir immer so vor, als würde er ihnen Kommandos geben.
Das Einzige, was ich von ihm wusste, daß er Basketball liebte und nahezu jeden Tag nach dem Unterricht – seine Entourage schien sich dabei jedes Mal in Luft aufgelöst zu haben – ein paar Körbe warf, so wie ich auch.
Und taten wir es am Anfang jeder für sich, so näherten wir uns langsam aneinander an, bis wir eines Tages eine stillschweigende Übereinkunft darüber hatten, uns jeden Nachmittag dort zu treffen, Körbe zu werfen und uns gegenseitig Tricks zu zeigen – die wir heimlich geübt hatten, um den anderen zu beeindrucken – bis er am späten Nachmittag von einem Fahrer abgeholt wurde.
War einem von uns ein besonderer Wurf gelungen, schauten wir uns bloß tief in die Augen und nickten uns respektvoll zu.
Einige Monate vergingen so, bis zu jenem Tag, als ich wie gewohnt das Schulgebäude in Richtung Basketballplatz verlassen wollte, da stand der dunkle Benz, der ihn jeden Abend abholte und unser Spiel beendete, direkt vor dem Eingangstor und mein Spielpartner schweigend davor, als hätte er auf mich gewartet.
Ich ging auf ihn zu und er kam mir entgegen, anstatt etwas zu sagen, nahm er meine Hand und schüttelte sie fest, schaute mir in die Augen und nickte mir herzlich zu, bevor er in den Wagen einstieg und so genauso urplötzlich aus Brig verschwand, wie er vor wenigen Jahren einfach aufgetaucht und da gewesen war.
Wahrscheinlich der beste Freund, den ich jemals hatte.
...to be continued.